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Beginnende Industrialisierung

Die industrielle Revolution hat eine Ge­schichte mit tief­greifen­den Umbrüchen: tech­ni­scher, wirt­schaft­licher, gesell­schaft­licher und politi­scher Art. Ihren Ausgang nahm dieser Wandel nicht etwa in Fabriken und Maschinen­hallen, sondern auf den Feldern Europas: Die Agrar­revolution, die zwi­schen dem 16. und 18. Jahr­hundert ein­setzte, legte den Grund­stein für die Indus­triali­sie­rung. Mit verbes­serten Anbau­methoden, neuen Nutz­pflanzen wie der Kartoffel, Fruchtwechsel­wirtschaft und ersten tech­ni­schen Hilfs­mitteln konnte die Land­wirt­schaft mehr Menschen ernäh­ren und zugleich Arbeits­kräfte für neue Wirt­schafts­bereiche frei­setzen.

Im späten 18. Jahrhundert begann in England schließ­lich die erste indus­tri­elle Revolu­tion, getra­gen durch die Dampf­maschine, mechani­sche Web­stühle und die Fabrik­arbeit. Während Groß­britan­nien und später auch Frank­reich früh in die indus­tri­elle Ent­wick­lung ein­traten, war Deutsch­land zu­nächst ein wirt­schaft­lich zersplit­terter und technolo­gisch rückstän­diger Agrar­staat. Erst mit der Einfüh­rung von Gewerbe­freiheit, Bildungs­reformen und einem einheit­li­chen Zoll­system im 19. Jahr­hun­dert konnte Deutsch­land auf­holen.


Zeittafel der Industrialisierung
beginnend mit der Agrar-Revolution


Jahr Ereignis
ca. 1500-1600 Beginn der Umstellung von der Dreifelder- zur Fruchtwechsel-Wirtschaft in West­europa. Neue Pflanzen wie Klee und Hülsen­früchte verbes­sern die Boden­fruchtbar­keit. Dies markiert den Beginn einer nachhalti­gen Ertrags­steigerung.
ab 1600 Einführung neuer Kulturpflanzen aus Amerika, z.B. Kartoffeln und Mais. Diese Pflan­zen sind robust, ertrag­reich und gut lager­fähig. Sie tragen zur Ernährungs­sicher­heit bei und ermög­lichen Bevölke­rungs­wachstum.
1600-1750 „Enclosure Movement“ in England: Gemeindeland wird privati­siert und einge­zäunt. Bauern ver­lie­ren Land­besitz und wandern in Städte ab. Dadurch ent­stehen markt­orientierte Groß­betriebe und eine lohn­abhängige Land­bevölke­rung.
1602 Die Niederländische Ostindien-Kompanie wird gegründet. Sie gilt als erste Aktien­gesell­schaft der Welt und ist Vor­läufer moder­ner Konzerne. Der Welt­handel wird durch sie stark ausge­baut und kapital­intensive Wirt­schafts­formen ent­stehen.
1615 In England beginnt der systematische Ausbau von Kanälen und Wasser­straßen. Dies ver­bessert den inneren Waren­transport erheb­lich. Frühe Infra­struktur­projekte fördern später die indus­tri­elle Logistik.
1620er Jahre Der Bergbau in Mitteleuropa erlebt eine tech­ni­sche Weiter­entwick­lung, z.B. durch ver­bes­serte Pumpen und Entwäs­serungs­systeme. Fachwissen ver­breitet sich über Montan­regionen hinaus. Der Bedarf an Energie und Metall steigt kontinu­ierlich.
1642-1649 Der Englische Bürgerkrieg führt zu einer Stärkung des Parla­ments und des Handels­bürger­tums. Die politi­sche Macht ver­schiebt sich von Feudal­herren zu Kauf­leuten und Unter­nehmern. Das begüns­tigt wirt­schaft­liches Unter­nehmer­tum lang­fristig.
1662 Die Royal Society wird in London gegründet. Sie fördert wissenschaft­liche Forschung und tech­ni­schen Aus­tausch. Natur­wissen­schaft­liche Erkennt­nisse verbrei­ten sich systema­tisch in Hand­werk und Technik.
1675 In Frankreich beginnt unter Colbert der gezielte staat­liche Aufbau von Manufak­turen. Der Staat fördert be­stimmte Industrie­zweige wie Textilien oder Waffen. Diese Früh­industrien sind Vor­läufer der späte­ren Fabriken.
1689 Die Glorious Revolution in England führt zur konsti­tu­tio­nellen Monarchie. Rechts­staat­lich­keit und Eigentums­sicherheit schaffen stabile Rahmen­bedingungen für Investi­tionen. Das fördert lang­fristig unter­nehme­rische und indus­tri­elle Ent­wick­lung.
1698 Thomas Savery erhält ein Patent für eine frühe Dampf­maschine zur Wasser­hebung. Sie wird vor allem im Berg­bau einge­setzt. Die Erfindung ist ein wichtiger Vor­läufer späte­rer Dampf­maschinen von Newcomen und Watt.
1701 Jethro Tull entwickelt in England die mechanische Saat­maschine. Sie ver­bes­sert die Aus­saat durch gleich­mäßige Vertei­lung der Samen in Reihen und spart Saat­gut. Dies erhöht die Erträge und leitet die Agrar­revolution (Techni­sie­rung der Land­wirtschaft) ein, die eine Voraus­setzung für die Indus­triali­sie­rung dar­stellt.
1712 Thomas Newcomen baut die erste atmosphäri­sche Dampf­maschine, die in Berg­werken zur Wasser­hebung (Abschöpfen von Wasser) verwendet wird. Die Erfin­dung leitet die tech­ni­sche Revolu­tion mit Nutzung von Dampf­kraft ein.
1733 John Kay erfindet das „fliegende Schiffchen“ (Flying Shuttle, Schnell­schützen), mit dem das Weben deutlich beschleu­nigt wird. Die Produkti­vität der Weber steigt, die nun mehr Garn verarbei­ten können, was die Nach­frage nach Garn und maschineller Spinnerei erhöht.
1740er Jahre Großbritannien erlebt einen ersten Auf­schwung im Kohle-Berg­bau und der Eisen­verarbei­tung. Der Einsatz von Koks (aus Stein­kohle) - entwickelt durch Abraham Darby um 1713 - ersetzt die bisher ge­nutzte Holz­kohle. Koks ermög­licht höhere Tempera­tu­ren und kontinuier­liche Produk­tion, was die Grund­lage für indus­tri­elle Groß­produk­tionen schafft.
1747 Andreas Sigismund Marggraf entdeckt, dass Zucker auch aus Rüben ge­won­nen werden kann. In Preußen beginnt die gezielte Förde­rung des Zucker­rüben­anbaus. Später ent­stehen erste Zucker­fabriken als Vorform agroindus­tri­eller Verarbei­tung. Dies ist ein früher Schritt zur Indus­triali­sie­rung der Land­wirtschaft in Mittel­europa.
1750 Die britische Textilindustrie wächst rasant durch Heim­arbeit und frühe Manufak­turen. Baumwolle wird zunehmend importiert und verarbei­tet. Der Bedarf an Effizienz bereitet den Boden für tech­ni­sche Innova­tionen.
1764 James Hargreaves entwickelt die Spinning Jenny, eine Mehrspindel-Spinnmaschine. Mit ihr können mehrere Fäden gleich­zeitig ge­sponnen werden. Die Produkti­vität in der Textil-Herstel­lung steigt stark an.
1765 James Watt beginnt mit der Überarbei­tung der Newcomen-Dampf­maschine. Er integriert einen separa­ten Konden­sator, der den Wirkungs­grad deutlich verbes­sert. Dies markiert den Beginn der indus­tri­ellen Nutzung von Dampf-Energie.
1769 James Watt erhält das Patent auf seine verbes­serte Dampf­maschine, die effi­zienter ist als frühere Modelle. Sie wird zum Herz­stück der mechani­sier­ten Produk­tion in Fabriken. Damit beginnt das Zeit­alter der dampf­betrie­benen Industrie­anlagen.
1760-1840 Verbreitung der Fruchtwechsel­wirtschaft in England und Teilen Europas. Brachen ent­fallen, und die Produkti­vität steigt deut­lich. Die Land­wirtschaft wird zu­nehmend wissen­schaft­lich organi­siert.
1771 Richard Arkwright errichtet in Cromford (England) die erste wasser­betrie­bene Spinnerei. Es ist die Geburts­stunde der modernen Fabrik. Arbeits­teilung und Maschinen­betrieb werden dauer­haft mitein­ander ver­bunden.
1776 Adam Smith veröffentlicht sein Buch „The Wealth of Nations“ (Der Wohl­stand der Nationen). Das Werk erklärt die theore­tischen Grund­lagen der Arbeits­teilung und des freien Marktes (als Gegen­satz zum Merkantilismus). Es wird zur Leit­idee für wirt­schaft­liches Denken im Industrie­zeitalter.
1779 Samuel Crompton entwickelt die „Spinning Mule“ (Maultier), eine Kombi­nation aus Spinning Jenny und Water Frame (Wasserrad-Antrieb). Sie produ­ziert beson­ders feines Garn in großen Mengen. Dies treibt die Mechani­sie­rung der Textil-Industrie weiter voran.
1784 Das Puddelverfahren wird in der englischen Eisen­industrie einge­führt. Es ersetzt Holz­kohle durch Koks. Die Qualität von Eisen verbes­sert sich (schmied­bares Eisen anstelle von Guss­eisen) und Eisen wird günsti­ger und massen­haft verfüg­bar. Dies fördert den Maschinen- und Eisenbahn­bau.
1782 James Watt entwickelt die doppelt wirkende Dampf­maschine. Sie wandelt Kolben­bewegun­gen in eine Dreh­bewegung um. Dadurch kann sie viel­seitiger einge­setzt werden.
1786 Friedrich II. von Preußen fördert den Kartoffel­anbau in Deutsch­land („Kartoffel­befehl“). Er lässt Kartoffel­felder be­wachen, um ihr Ansehen zu steigern. Die Knolle wird zum Grund­nahrungs­mittel in Mittel­europa.
1787 Edmund Cartwright entwickelt den mechanischen Web­stuhl. Dieser automati­siert den Web­prozess weit­gehend. Fabrik­arbeit ersetzt zu­nehmend das Heim­gewerbe.
1788 In Preußen wird die erste Dampf­maschine instal­liert. Ihr Einsatz bleibt zunächst regional be­grenzt. Die indus­tri­elle Mechani­sierung beginnt zöger­lich im Ver­gleich zu England.

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